pass auf, kleines auge!

Die Losungen der beiden letzten Tage inspirieren mich.

Losung vom 07.07.15:

Lass deine AUGEN offen stehen über diesem Hause Nacht und Tag, über der Stätte, von der du gesagt hast: Da soll mein Name sein. – 1. Könige 8,29

Losung vom 08.07.15:

Eure AUGEN haben die großen Werke des HERRN gesehen, die er getan hat. – 5. Mose 11,7

Als Kinder haben wir immer das Lied gesungen: „Pass auf, kleines Auge, was Du siehst“. Eigentlich schrecklich, denn uns wurde beigebracht, dass Gott alles sieht – jede Sünde, die wir tun. Deswegen sollten wir ja auch aufpassen. Es hatte also eine eher negative und Druck erzeugende Wirkung. Das Lied kennt unterschiedliche Textvarianten. Ursprünglich stammt es aus dem angelsächsischen Bereich. Dort lautet der Kehrvers:

There’s a Father up above
and He’s looking down in love.

Auf Deutsch könnten wir singen: „Denn der Vater im Himmel schaut herab in Liebe!“ Ein ganz anderer Ton.

Der Lehrtext der Losung vom 07.07.15 verdeutlicht, worauf Gott seine Augen richtet: Nicht auf Häuser, Gebäude, Kirchen (auf die auch, ja!). – Aber vielmehr auf uns Menschen, die wir „SEIN Haus sind“ (Hebräer 3,6). Und er schaut mit liebevollem Blick auf uns. Denn der Vater im Himmel hat dich lieb (andere dt. Textvariante der zweiten Zeile des Kehrverses). Wir haben ein Ansehen bei Gott. Wir sind wer – vor Ihm und für Ihn. Deshalb dürfen wir auch von dem, was wir (!) gesehen und gehört haben, allen Menschen verkündigen, damit immer mehr den Weg zur und in die „Gemeinschaft der Angesehenen“ finden (vgl. 1.Joh 1,3).

In einem Gespräch wurde mir kürzlich wieder bewusst: Ich darf Acht haben auf mich. Auf das, was ich sehe, was ich höre, was ich spreche, was ich denke, was meine Hand tut, wohin ich gehe. Ich darf Acht haben auf mich in meinem So-Sein. Ich darf sein, wer ich bin, denn Gott hat mich so geschaffen, wie ich bin. Und ich darf Gott einladen, in mir zu wohnen. Ich muss nicht alles glauben, was mir die Leute vorgaukeln, wer ich zu sein hätte oder scheine.

Pass auf, kleines Herz, wer in dir wohnt.

Nicht nur wer, sondern welche Gedanken in mir wohnen, wie ich mich selbst sehe, über mich denke, rede und mit mir umgehe. Manchmal sehen unsere Augen nur das Schlechte – das, was wir nicht dürfen. Wir reden uns Dinge ein, die nicht wirklich sind. Wirklich ist das, was für das Auge unsichtbar ist – für das innere Auge jedoch sichtbar. Und wirklich ist: Wir sind SEIN HAUS. Was wir darin wohl alles so sehen und erkennen können? Pass auf, kleines Auge, was Du an Dir siehst – und überprüfe, ob es tatsächlich der Wahrheit entspricht, oder Dir nur vorgegaukelt wird. Der Vater im Himmel jedenfalls, hat dich lieb!

Trinitatis – Liebe, die dem Leben dient

Vor einigen Tagen sprach ich mit meiner Tochter über die Aggregatzustände von Wasser. In flüssiger Form ist es uns zum Trinken, Waschen, Schwimmen oder auch Taufen bekannt. In gefrorener, fester Form als Eis nutzen wir Wasser etwa zum Kühlen von Getränken oder zur Vorratshaltung von Lebensmitteln. Gasförmig kennen wir Wasser z.B. beim Kochen. Außerdem wird es als Wolken aufs Land getrieben, um dort als Regen den Durst der Natur zu löschen. Insgesamt: In allen drei Fällen dient Wasser uns zum Leben!

Kürzlich wurde ich beim Glaubenskurs unserer Gemeinde gefragt: Glauben Christen in Wirklichkeit nicht an drei Götter? Ist es nicht eine Mogelpackung, von nur einem Gott zu reden, wenn er uns in drei Personen (Vater, Sohn, Heiliger Geist) vorgestellt wird?

Christen glauben an den einen Gott. Er hat die Welt erschaffen, er hat die Welt von ihrer selbstgewählten Distanzierung von Gott erlöst, er lebt unter und in uns durch seinen Geist.

Der kommende Trinitatis-Sonntag möchte uns daran erinnern, dass dieser Gott immer Einer und Derselbe ist. Um ihn kennenzulernen, offenbart er sich uns in verschiedenen Formen (Personen) und dient darin – wie das Wasser – unserem Leben!

Als Vater und Schöpfer ist er derjenige, der unser Leben geschaffen hat und erhält, der mit uns in Gemeinschaft lebt. Als Sohn hat er sich uns als Mensch gezeigt und uns die Liebe des Vaters in völliger Hingabe und Selbstaufgabe leibhaftig gebracht. Als Heiliger Geist lebt er in uns und lässt durch uns ein Stück davon erkennen, was Gemeinschaft in ihrer Uridee sein kann (auch wenn wir gerade darin täglich fehlen).

Das Einzigartige: Unter seinen göttlichen „Aggregatzustände“ (Personen) herrscht stets vollkommene Liebe. Für uns kaum nachvollziehbar, denn wir können nicht vollkommen lieben. Ansonsten wären wir schon im Paradies. Ein Vorgeschmack will und soll (nicht nur aber ganz besonders) die christliche Gemeinschaft sein: Ein Stück vollkommene Liebe, die dem Leben dient.

Ähnlich wie beim Wasser ist Gott als der Eine uns also in unterschiedlicher Weise nahe und ermöglicht uns zu leben. Dafür sollten wir ihn feiern und ehren!

jesus, schleiermacher und steve jobs

»Es gibt aber Menschen, deren Entwikkelung über ihr Volk und ihre Zeit hinausgeht, und deren Entwikkelungsstufen hernach ins Gesammtleben übergehn; fördert aber der Einzelne das Gesammtleben durch Resultate, die vorher nicht da waren aber hernach ein Gemeingut werden, so steht das Ganze unter der Potenz des einzelnen Lebens.« (Friedrich Schleiermacher, Leben Jesu-Vorlesungen, S. 11)

Es gibt Menschen in unserer gesellschaftlichen Entwicklung, die nachhaltig dafür gesorgt haben, die Welt zu verändern und dafür zu sorgen, dass sie auch nach ihrem Abschied von der Erde nicht nur in Gedanken unter uns sind.

Zweifellos ist Jesus Christus der aus der in der Überschrift zu diesem Post genannten Reihe der markanteste und bedeutungsvollste Mensch. Jesus Christus hat es wie kein zweiter geschafft, uns den Himmel auf die Erde zu holen – dies in einer Weise, die sich vorher so keine gedacht hatte und das ist bei den meisten Menschen auch heute noch so. Jesus Christus hat uns Gott als Vater gezeigt und uns gleichzeitig vorgelebt, wie wahres Leben, Leben, wie es sich der Schöpfer von Anfang an gedacht hatte, aussehen kann. Es ist ein Leben der Fürsorge und des Daseins für den anderen. Ein Leben also, das Dienst am anderen ist. Die Gemeinschaft, die sich von Christus her ableitet, und die wir gemeinhin als Kirche bezeichnen, hat sich an diesem Vorbild zu orientieren, ja sollte diesen Christus abbilden und deshalb im besten Sinne Dienstleisterin für unsere Gesellschaft sein. Dass sie es häufig genug ist, ist ein bedauernswerter Zustand aber dennoch kein Grund zur Resignation. Vielmehr ein Aufruf an alle in der Kirche aktiven, diesen Zustand zu ändern und der Vision Gottes näher zu kommen.

Friedrich Schleiermacher (der Kirchenvater der Neuzeit) hat wie kein zweiter in der nachaufklärerischen Phase dazu beigetragen, dass insbesondere das kirchlich-dogmatische Denken der evangelischen Kirche Veränderung und eine Anpassung an die gesellschaftlichen Entwicklungen der damaligen Zeit durch die Aufklärung erfahren hat. Diese Wirkung ist freilich nicht mit derjenigen von Jesus Christus zu vergleichen. Dennoch hat Schleiermacher dafür gesorgt, dass sein Kirchenverständnis bis heute kräftig genug ist, insbesondere die evangelisch kirchliche Landschaft zu prägen und zu beeinflussen. Es ist sein Verdienst, die Kirche als Dienstleisterin zu zeigen, die sich im Gefolge Jesu Christi darum zu bemühen hat, diesen Christus leibhaftig abzubilden und den Menschen damit Gottes Vision vom gemeinsamen Leben vor Augen zu malen.

Die Nennung von Steve Jobs in dieser Reihe wird dem geneigten Leser dieses Blogs evtl. etwas sonderbar anmuten – Recht so! Jobs war kein Messias und auch kein Kirchenvater der Neuzeit. Aber – wie wir alle wissen – hat Jobs die Welt durch sein Dasein an der Schnittstelle von Geisteswissenschaft und Technologie ebenfalls nachhaltig verändert. Als Visionär und Gründer von Apple hat er nicht nur dafür gesorgt, dass es Rechner auf diesem Planeten gibt, die auch wirklich laufen. Er hat es wie kein anderer geschafft, die Welt miteinander zu verbinden durch Innovationen, die vorher nicht da waren. Und damit trifft das Zitat Schleiermachers auch auf ihn zu. In seiner Biographie geschrieben von Walter Isaacson wird Jobs zudem mit einem denkwürdigen Satz zitiert. Ein Buddhist lässt uns Christen aufhorchen und hinterlässt uns damit eine Botschaft, die hoffentlich auch zeitlos und nachhaltig wirkt. Es lohnt sich, über diesen Satz längere Zeit zu meditieren:

„Das Christentum verliert an Kraft, wenn es sich zu sehr auf den Glauben stützt, statt nach dem Vorbild von Jesus zu leben oder die Welt mit dessen Augen zu sehen“. (Isaacson, Steve Jobs, S. 34).

2011 – gedanken zur jahreslosung

Das neue Jahr 2011 hat begonnen – für mich mit einer (von mir selbst diagnostizierten 🙂 ) Kehlkopfentzündung. Das hieß zunächst einmal: Stimme weg – zumindest fast, denn meine Predigtdienste konnte ich dennoch durchführen (Headset sei Dank).

Ich habe mich gefragt, was man zu einer Jahreslosung wie der des Jahres 2011 eigentlich alles sagen kann:

„Lass Dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Tun des Guten.“
Römer 12, 21

Interessant war für mich wieder mal zu sehen, in welchem Zusammenhang dieser Text steht. Paulus stellt Vers 21 an das Ende des Kapitels über seine Gedankenwelt (oder besser: Visionen) vom Leben der Gemeinde (mein Lieblingsthema: Ekklesiologie = die Lehre von der Kirche): Ein vollkommener Gottesdienst soll deren Lebensführung ausmachen – und damit ist nicht die eine Stunde am Sonntag gemeint, ein Dienst an- und untereinander und an der Welt, und schließlich: ein von Selbsthingabe und -aufgabe (Ja, auch das!) gezeichnetes Miteinander, das „in dem Guten“ (soll heißen: im bzw. durch das Tun des Guten) das Böse besiegt (so der Urtext).

Man könnte so viel dazu sagen. Für mich ist die Jahreslosung ein Aufruf, mich zu entscheiden – für das, was wesentlich ist in unserem Leben – worauf es ankommt. Und dazu hat Gott mir mein Gewissen gegeben, dass gepaart mit seinem Geist schon ganz gut selber weiß, was der Wille Gottes ist: Das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene (Vers 2).

Unserem Lobpreisleiter ist es zu verdanken, dass wir dazu einen sehr passenden Text von Martin Luther King hören konnten:

Worauf es ankommt

Es kommt nicht darauf an, geliebt zu werden, – sondern zu lieben.
Es kommt nicht darauf an, zu genießen, – sondern zu schenken.
Es kommt nicht darauf an, sich durchzusetzen, – sondern sich einzusetzen.
Es kommt nicht darauf an, den Frieden zu erwarten, – sondern Friedensstifter zu sein.
Es kommt nicht darauf an, dass Gott tut, was ich will, – sondern dass ich tue, was Gott will.
Es kommt nicht darauf an, was die Menschen von mir denken, – sondern was Gott von mir denkt.
Es kommt nicht darauf an, alles zu kennen, – sondern das Erkannte zu tun.
Es kommt nicht darauf an, dem Leiden zu entgehen, – sondern das Leiden sinnvoll zu ertragen.
Es kommt nicht darauf an, wann ich sterbe, – sondern ob ich bereit bin, in Gott zu leben.

kirche 21?

Der Titel dieses Posts – um das vorweg zu sagen – soll keine Anspielung auf die Initiative „Kirche 21“ sein, die ich gerne verfolge wahrnehme und noch gerner an ihr teilnehmen würde, wenn Berlin, Hannover und die anderen norddeutschen Städte nicht so weit weg wären…

Es gehört zu mir, dass ich mir immer wieder über das Thema Kirche Gedanken mache. Das liegt zwar auch an meinem Beruf, hat aber in meiner Vergangenheit weit vor Beginn meines Studiums ihre Wurzeln? Wie muss die Kirche im 21. Jahrhundert aussehen, um relevant zu sein für ihre Gesellschaft?

Dazu habe ich vor kurzem eine interessante Erfahrung gemacht: In vielen Predigten habe ich und werde ich immer wieder auf die Duplizität des Christseins hinweisen – meine Beziehung zu Gott, meine Erlösung (= Heil) in Jesus Christus einerseits; und andererseits die Konsequenzen, die sich daraus für mich und mein Handeln in der Welt ergeben. Manchmal habe ich den Eindruck, wir häufen als Christen immer mehr Wissen auf, werden geistlich-wissentlich immer fetter und allein dadurch schon unbeweglich. – Nun war ich mit guten Freunden vor kurzem im Urlaub. Sechs Familien, die sich über den Kindergarten kennengelernt haben. Ein buntes und schönes Miteinander – Leben wie in einer Kommune (= Gemeinschaft). Wo man kann, hilft man sich gerne, unterstützt sich – wenn der eine gerade für alle kocht, kümmert sich eben ein anderer um die Kinder. Gemeinschaft findet im ganz alltäglichen Leben statt. O.k. – Urlaub ist nicht der ganz normale Alltag. Aber ein kleiner Abgeschmack dessen, wie Alltag sein könnte, war es eben doch.

Und ich habe mich gefragt: Ist nicht genau diese Lebensform von Gemeinschaft das, was ich mir auch von der „Kirche 21“ erträume? Eine Gemeinschaft, die relevant für ihre (klitzekleine) Gesellschaft ist? Wo man sich hilft? Wo man sich gegenseitig entlastet? Wo man Zeit fürs Gespräch hat? Wo man offen und trotzdem unterschiedlicher Meinung sein kann und sich gerade deshalb beginnt, noch mehr zu schätzen? Wo Wertschätzung für die allerkleinsten Dinge stattfindet? Und all das (nota bene:) in einer überkonfessionellen Gemeinschaft (= Ökumene)? Ich könnte diese Reihe unendlich fortsetzen.

Mir fiel auf: Diese Gemeinschaftsform ist genau die, nach der ich mich sehen, wenn ich über „Kirche 21“ nachdenke. Mit einem Unterschied: Das von mir erlebte hatte einen Aspekt zu wenig: Der Gottesbezug, der Bezug zum Transzendenten fand kaum statt. Zumindest nach meinem Frömmigkeitsverständnis nicht. Das hat mir gefehlt. Und doch: Er fand statt in den Diskussionen, die bis tief in die Nacht gingen. Ich habe gelernt: Man muss nicht immer gleich beten, um das Gefühl von Gottesbezug zu haben. Gott war da! In der Gemeinschaft! Das ist alles.

Ich wünsche mir, dass sich dieses Verständnis in meinem direkten Umfeld mehr verbreitet.

Verwandtschaft

Am vergangenen Sonntag habe ich über Römer 8,12-17 gepredigt. Da steht in Vers 14: „Denn alle, die vom Geist Gottes bestimmt sind, die sind Gottes Kinder.“ Und etwas später wird betont, dass diese Kinder Gottes diesen Gott mit dem aramäischen Kosewort „Abba“ ansprechen – also so, wie meine Tochter „Papa“ zu mir sagt.

Verwandtschaft ist das leitende Thema dieser Passage. Verwandtschaft ist ein Thema, das uns alle angeht. Jeder von uns hat eine. Jeder von uns braucht den familiären Rückhalt. Jeder von uns hat aufgrund seiner eigenen Geschichte ein ganz bestimmtes Verständnis von Begriffen wie Verwandtschaft, Familie, Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Geschwister usw. Unsere eigene Beziehung zu unseren Vätern, das was wir mit ihnen erlebt haben, prägt auch unser Gottesbild. Und manch einer kann zu Gott gerade deshalb nicht (!) Vater sagen. Er sagt vielleicht „Herr“ oder sonst einen anderen Titel.

Verwandtschaft ist natürlich auch in der Kirche ein Thema: Vor allem in den Freikirchen aber auch in anderen Gemeinschaften sprechen sich die Gläubigen mit „Bruder“ und „Schwester“ an. Sie drücken dadurch aus: Wir gehören als Kinder alle zur Familie Gottes, sind Kinder Gottes, Jesus ist unser Bruder – und dadurch werden auch wir zu „Brüdern und Schwestern im Herrn“ (wie es so schön heißt. Dieses Verwandtschaftsverhältnis wird dann im Idealfall auch darin deutlich, dass wir „Gott änlich sehen“. Schon am Anfang der Bibel ist davon die Rede (vgl. Genesis 1,26+27). Unsere Ähnlichkeit mit Gott ist also von Schöpfung an in uns angelegt. Das Göttliche in uns, wird uns quasi bei der Schöpfung durch das Einhauchen des Odems Gottes mitgegeben und macht uns zuallererst zu einer lebendigen Seele.

Diese lebendigen Seelen erlebe ich in unseren Gemeinden und Kirchen leider nicht mehr in der Zahl, wie es auf der Mitgliederliste Namen gibt. Wenn ich damit umgehen muss, dass „meine Familie“ ein teilweise müde gewordener Kreis an aber hochbegabten und mit allen möglichen tollen Fähigkeiten ausgestatten Leuten ist, werde ich nachdenklich und ein wenig auch traurig über soviel brachliegendes „Kapital“. – Dem gegenüber steht ein Netzwerk aus Freunden, die mit Kirche recht wenig verbindet. Sie leben ihre Ideale in anderen Zusammenhängen aus und das ziemlich professionell, locker und ohne die mir aus kirchlichen Kreisen bekannten Streitereien und Diskussionen.

Meine Frage ist: Weshalb um alles in der Welt, soll ich sie mit der Familie Gottes bekannt machen? Ist es nicht eher so, dass die Familie Gottes (oder zumindest diejenigen, die sich dazu zählen – Stichwort: ecclesia visibilis/invisibilis) sich bei den anderen eine Menge an Scheiben abschneiden kann? Sollte ich sie deshalb miteinander in Kontakt bringen? Denn eins ist klar: Möchte ich meine „entkirchlichten“ Freunde mit Jesus bekannt machen, dann müsste ich sie in die Gemeinde mitbringen. Allerdings scheint mir gerade, dass der Verwandtschaftsgrad dieser meiner entkirchlichten Freunde mit Gott eher 1. Grades ist als bei so manchem Christenmenschen, den ich kenne…

Und dennoch: Genau mit denen, die Gott noch nicht so kennen, möchte ich am liebsten Gemeinde Gottes bauen, Familie Gottes leben – für eine bessere Gesellschaft, für relevante und hilfreichere Beziehungen. Ich träume den Traum weiter von einer Gemeinde, die sich als Familie Gottes versteht und gerade aufgrund ihres Verwandtschaftsgrades mit Gott genau das lebt, wozu sie von Anbeginn der Schöpfung durch unseren „Vater“ berufen und befähigt wurde.

mut zum wandel

„Der MUT ZUM WANDEL, zur Umkehr und zur Neugestaltung von Kirche und Gesellschaft und die Bereitschaft zum Aushalten von Veränderungen sind Zeichen des Lebens, das die Kirchen aus dem Evangelium schöpfen.“

In den letzten Wochen habe ich mir selbst (und anderen) immer wieder den „Mut zum Wandel“ zugemutet. Teilweise ging das leider – mal bewußt, mal auch absolut unbewußt – nicht ohne Schmerzen bei mir und/oder bei anderen ab. Ich merke, wie verletzbar wir sind, wenn Veränderungen und Wandel in unserem Leben plötzlich eine Rolle spielen, ja, wenn es sogar aufgenötigt wird.

Und dann finde ich heute dieses Zitat in der Veröffentlichung „Die Kirche Jesu Christi“. Autorin ist die Leuenberger Kirchengemeinschaft. Das Zitat ist Teil desjenigen Textes, der als Beschluss der Vollversammlung vom 9. Mai 1994 (das ist schon lange her!) unter dem genannten Titel veröffentlicht wurde (dort unter 1.4, S. 10). Damals wusste ich von emergenter Kirche und diesen Dingen noch überhaupt garnichts! Ich hatte noch nicht einmal mit meinem Theologiestudium begonnen… Und heute merke ich, wie aktuell ein solcher Satz ist – für mein eigenes Leben, meine Beziehungen (Ehe, Familie, Freunde) und meinen Beruf und die damit verbundenen Beziehungen.

Eigentlich liebe ich Veränderung und Wandel, weil es so unwahrscheinlich spannend ist. Und doch: auf manche Veränderung könnte ich liebend gern verzichten – gerade dann, wenn sie schmerzlich ist und man nichts dagegen machen kann. Das erlebe ich (leider) gerade in diesen Tagen wieder sehr stark. Aber wer weiß: Vielleicht macht Gott auch aus dem in dieser Woche Erlebten sein Gutes…

Mich ermutigt dieser Satz jedenfalls: Ich möchte weiter Mut zum Wandel haben und die Bereitschaft zum Aushalten. Offensichtlich befinde ich mich damit innerhalb der Kirche in bester Gesellschaft – zuallererst nämlich in der Gesellschaft eines Gottes, der noch sehr viel mehr ausgehalten hat für mich und wegen mir!

Gründonnerstag

Der Gründonnerstag war und ist für mich einer der besondersten Tage im Jahr. Das hat kulinarische und theologische Gründe.

Kulinarisch ist es für einen Schwaben ja ein Muss, an Gründonnerstag die sogenannten „Herrgottsbscheißerle“ zu essen. Gemeint sind Maultaschen, die deswegen so genannt werden, weil (angeblich) Mönche Fleisch mit Spinat grün gefärbt haben und es zusätzlich in Nudelteigtaschen verpackten, damit der liebe Gott nicht bemerkt, dass man mitten in der Fastenzeit doch Fleisch ißt. 🙂 Ich erinnere mich noch gut an die Zeiten, als unsere Nachbarn Wäschwannen voll Teigfüllung für die Maultaschen gemacht haben, und wie es dann ein regelrechtes Maultaschen-Wettessen gegeben hat. Ich liebe sie, die Maultaschen und esse IMMER an Gründonnerstag welche.

Theologisch ist Gründonnerstag aus zweierlei Gründen wichtig: 1. Wir denken als Christen an das Letzte Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Vermutlich hat er es im Rahmen eines Sederfestes mit seinen Jüngern gefeiert und an den beiden berühmten Stellen (die wir aus den Einsetzungsworten) kennen das Passahmahl und seine Bedeutung auf sich umgedeutet. Aber die Liturgie dieses Abendessens nach der ganz bestimmten Ordnung (hebr. Seder) wird Jesus wohl auch durchgegangen sein. Wir feiern heute Abend ein solches Fest in unserer Gemeinde im festlich geschmückten „Passahraum“ des Ostergartenprojektes von 2011!

2. Christen erinnern sich an Gründonnerstag auch an Jesu Gebet und die gesamte Szene in Gethsemane (ich durfte meine erste Hausarbeit als Theologiestudent über diese Perikope schreiben, aber das ist ein anderes Thema). Jesus geht mit drei seiner Jünger in den Garten, um zu beten und Gott zu bitten, falls möglich, diesen Kelch der ihm bevorstehenden Passion an ihm vorübergehen zu lassen. Beeindruckend ist wiederum zweierlei: Einmal betont Jesus, dass ihm der Wille Gottes wichtiger ist als sein eigener (und darin lernt er Gehorsam, sich unter den Willen Gottes zu stellen), und zum anderen ruft er die eingeschlafenen Jünger zur Wachsamkeit auf (Wachet und betet – könnt Ihr nicht eine Stunde mit mir wachen?). Beides können wir also von Jesus lernen: Gehorsam und die Fügung unter den guten Willen Gottes – und Wachsamkeit, d.h. bewußt mit den Dingen meines Lebens umzugehen und aufmerksam zu bleiben.

Ich freue mich über diesen Tag und die vielen guten Möglichkeiten, mich an das, was Gott für uns getan hat, zu erinnern – auch wenn ich ihn beim Mittagessen mal kurz … na, Ihr wißt schon. 🙂

Mit der Welt für die Welt

Am vergangenen Samstag durfte ich im Rahmen der Landesverbandsratstagung des baptistischen Landesverbands Baden-Württemberg einen kleinen Workshop leiten zum Thema „Wie geht das – mit der Welt für die Welt“? Im Grunde war es nichts weiter als eine Nachlese meiner Erkenntnisse aus dem Projekt „Ringschule wirtschaftet“ im letzten Sommer. Dort hatte ich gelernt, dass man sich als Kirche auch dann gesellschaftsrelevant und im tiefsten Sinne missionarisch verhalten kann, wenn man verstanden hat, was die Bedeutung unseres Salz-und-Licht-Seins als Christen wirklich meint. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Gott sich eine unerträgliche Salzlake wünscht, die wenig attraktiv ist – gleichwohl möchte Gott natürlich, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Salz und Licht in und für unsere Gesellschaft zu sein, kann aber eben auch so aussehen, dass sich die Kirche im Miteinander der einzelnen Gesellschaftsfeldern an Aktionen wie etwa „Ringschule wirtschaftet“ beteiligt und dadurch Menschen Hoffnung schenkt, Perspektive vermittelt und ihnen wertschätzend Würde verleiht.

Im Workshop habe ich u.a. dargestellt, dass Gemeinden um die 100-Mitglieder-Marke teilweise gar nicht anders können als „mit der Welt für die Welt“ etwas zu tun – denn oftmals fehlen gerade kleinen Gemeinden ja die Man- und Woman-Power, größere Projekte zu verwirklichen – an Ideen freilich nicht! Und das ist gut so! Denn so sind sie genötigt, über den eigenen Tellerrand hinaus zu schauen und sich mit Leuten zu vernetzen, die dabei helfen können, die Ideen mit umzusetzen und eben nicht nur Idee bleiben lassen zu müssen.

Wer weiß: Vielleicht beginnen unsere Gemeinde dann ja auch irgendwann damit, numerisch zu wachsen. Allerdings ist bereits der qualitative Wachstumsschritt ein riesen Fortschritt. Am Ende waren von uns 100 Leutlen 40 an „Ringschule wirtschaftet“ beteiligt (ehrenamtlich oder als Gäste). Das macht Mut, auch die nächsten Projekte trotz eingeschränkter Möglichkeiten anzugehen – denn so eingschränkt sind die Möglichkeiten (wie sich zeigt) ja garnicht. 🙂