Johannes Hartl hat in diesem Sommer mit „In meinem Herzen Feuer“ ein (Feuer-)Werk seines Lebens und Denkens vorgelegt, das seinesgleichen sucht. Dankbar und gewinnbringend habe ich dieses autobiographisch angelegte Buch über seine aufregende Reise ins Gebet regelrecht verschlungen.
Ein erster Blick ins Inhaltsverzeichnis verrät noch lange nicht, was sich hinter jedem einzelnen Kapitel verbirgt: Tief gehende biographische Erfahrungen zu jedem einzelnen Thema. Erst auf den zweiten Blick erschließt sich dem Leser die innere Logik und Systematik des Aufbaus. Der Autor und Gründer des Gebetshauses gewährt einen Einblick in die Seele eines Beters, der sich auf die Suche machte nach Gott, nach seiner Bestimmung und Berufung und sie schließlich – über viele Stationen über den ganzen Globus hinweg – auch fand: ein Leben des Gebets zu führen. Johannes Hartl nimmt uns mit auf eine beeindruckende, bewegende und abenteuerliche Reise. Dieses Versprechen wird absolut gehalten.
„Beten ist mehr Sein als Tun … mehr Wahrnehmen als Denken“ (S. 58) – Gebet wird zu einer „Bewegung des Herzens“. Die Essenz des Buches findet sich in diesen und vielen anderen kleinen Zitaten, die weit über den Text verstreut da liegen – gewissermaßen wie ein Erntefeld, bei dem man sich an köstlichen Früchten bedienen darf. Wo sonst erfährt man schonmal etwas über den Zusammenhang von Gebet und Schönheit, Aromen oder Kunst, Spielen, Staunen u.v.m.
Quelle aller Motivation ist die Begegnung mit und Erfahrung des Lebens Jesu Christi. „Und wer von Jesus fasziniert ist, der will mehr von ihm. Der stellt nicht mehr die Frage, was er tun muss, um gut zu leben, und was er alles nicht darf. Sondern er fragt, was seine Liebe zu Jesus fördert und was sie behindert.“ (133) Und so lernt der Leser gemeinsam mit Johannes Hartl das Staunen über Gott, denn Staunen sei der Anfang des Christentums (vgl. 136). Er begegnet Gott als unverrückbarem Mittelpunkt des Kosmos und will mit den Lobpreisleitern des Gebetshauses im Sinne von Offenbarung 4 „sehen, was die Engel sehen“ (185). Plötzlich bekommt die Zeit, die ich mir fürs Gebet nehme, eine völlig neue Qualität – es wird Zeit der Liebe, die wir im Überfluss haben. Gleichzeitig öffnet sich der Horizont des Liebenden: für ihn gibt es keinerlei Verschwendung, gerade weil er liebt. Denn: „Wer wirklich betet, dem wird das wichtig, was dem wichtig ist, den er liebt.“ (194) Die Verschwendung war bereits vorher Thema mit der ergreifenden Darstellung der Salbung in Bethanien und der nachahmenswerten Lebens- und Gebetshaltung Marias, der Schwester Marthas und Lazarus‘ (vgl. 177-181).
Seinen Höhepunkt erreicht das Buch für mich in den letzten Kapiteln, die von der Schönheit und dem Gebet als Kunst handeln. In schillernden Farben entfaltet Johannes Hartl hier seine Theologie der Schönheit und/oder Ästhetik, die sich aus allen möglichen Kunstbereichen (Musik, Bildhafte Kunst, Kochkunst usw.) speist. So wird das Gebet für mich zu etwas, das genossen werden darf und soll, denn „der Mensch ist für das Schöne erschaffen“ (211). So wird Gebet zur Kunst und als Kunst praktiziert. Diese Linie zieht sich weiter wie ein roter Faden und hinein in das Kapitel über das verliebte Gebet mit seinem Bild vom heiligen Kuss. Sehr bewegend und immer wieder lesenswert die Seiten über Jesu Umgang mit der Sünderin (216ff.; vgl. Joh 8). Ich merke, wie mich das nicht kalt lässt, dass auch ich wie die Sünderin zuerst von Gott geliebt wurde – Grundlage für das Spüren des Kusses Gottes an mir. Und so kommt es nicht von Ungefähr, dass sich auf der letzten Seite noch ein letztes Mal die Türe öffnet, besser gesagt der Hafen, der mein eigenes Gebetsschiff hinaus auf den Ozean treibt, um im Leben mit Gott einfach nur zu sein und ihn wahrzunehmen. Ich fühle mich erinnert an den lehrreichen Spruch: „Ein Schiff ist am sichersten im Hafen, doch dafür wurde es nicht gebaut.“ Das ermutigt mich, mich immer wieder von Gott an die Hand nehmen zu lassen und mit ihm in See zu stechen.
Man kann „In meinem Herzen Feuer“ auf dreierlei Art lesen: 1. In einem Durchgang von vorne bis hinten. Wer das tut, wird mit genommen auf die abenteuerliche Reise des Autors, die ihn nicht nur ins Gebet geführt hat. In vielen einzelnen kleinen und stets knappen Beiträgen aus unterschiedlichen Erlebnissen verschiedener Zeitpunkte seines Lebens entführt Johannes uns nach Kreta, auf den Athos, Jerusalem, nach Fernost, in die USA usw. Keineswegs nur nebenbei wird dabei die Geschichte des Gebetshauses Augsburg erzählt. Sie zieht sich im Grunde wie ein roter Faden durch das Werk. – 2. Lektüremöglichkeit: Wie ein Andachts- oder Gebetbuch – jedes Kapitel für sich als Einheit würdigend und sich dafür Zeit nehmend. Die knapp gehaltenen Abschnitte beleuchten je einen Aspekt aus der Welt des Gebets. Das erleichtert die Lektüre, lässt aber keineswegs den hohen Anspruch des Autors vermissen, in die Tiefendimensionen seines Erlebens Einblick zu gewähren und sich mitreißen und inspirieren zu lassen. Zum Beispiel: „Die Explosion – Gebet und Kraft“ – hier geht es um das Beziehungsgeflecht von Fasten und Gebet. Am Ende jedes Kapitels gelangt der Leser an eine „Feuerstelle“. Dort kann das Gelesene reflektiert, eingeübt werden oder sonst ein hilfreicher Impuls wird auf die je eigene Reise mitgegeben. – 3. Möglichkeit: Immer wieder ein Kapitel quer Beet lesen. Auch das hilft, sich noch einmal einen bestimmten Aspekt zu vergegenwärtigen. (Diesen Schritt empfehle ich erst nach erfolgter Lektüre und Vorgehensweise der ersten beiden Möglichkeiten.)
Mein Gebetsleben hat sich seit der Lektüre nachhaltig verändert. Danke Dir, lieber Johannes, für dieses inspirierende, ermutigende, herausfordernde, hilf- und segensreiche Buch. Ich wünsche dem Buch nach seiner zweiten noch weitere Auflagen und viele Leserinnen und Leser – und all ihnen das, was ein Leben des Gebets verheißt: Ein Leben in Fülle (Joh 10,10).
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